Das Symposion – eine Kultur des Dialogs

Mechthild Müller-Hennig

Der altgriechische Begriff „Symposion“ (lateinisch „Symposium“) ist von „sympinein“ abzuleiten, was wörtlich so viel bedeutet wie gemeinsam (syn) trinken (pinein). Doch die Zusammenkünfte waren weitaus mehr als Gastmähler und Trinkgelage: In archaischer Zeit ging es beim Symposion um Rezitation und Gesang von Dichtung. Ab dem 5. Jahrhundert vor Christus stand neben Essen und Trinken, Unterhaltung und Geselligkeit, vor allem das Gespräch, der Dialog, der Austausch im Mittelpunkt. Die bekannten Philosophen Platon und Xenophon haben beide ein Symposion oder Gastmahl in Werken dieses Titels zum Thema gemacht. Daher wissen wir, dass die Gastgeber neben kulturellen Interessen auch politische Ambitionen verfolgten. Es ging ihnen dabei freilich auch um eine Art Selbstdarstellung.

Heute werden wissenschaftliche Konferenzen aller Sparten, von Kultur über Wirtschaft bis hin zur Medizin, als „Symposium“ bezeichnet. Symposien gibt es wie Sand am Meer. Sie alle verfolgen, mehr oder minder ambitioniert und fundiert, den Anspruch einer Vorstellung verschiedener Forschungsergebnisse und die anschließende Diskussion unterschiedlicher Standpunkte. Somit pflegen sie schließlich, wie die antiken Gastmähler, eine Kultur des Dialogs.

1959 rief der österreichische Bildhauer Karl Prantl im Steinbruch von St. Margarethen im Burgenland das erste europäische Bildhauersymposion ins Leben, auf das sich bis heute weltweit 150 Symposien beziehen und das eine Initialzündung bedeutete. Zwei Jahre später fand erstmals in Deutschland das ebenfalls internationale „Bildhauersymposion Kaisersteinbruch“ in Unterfranken statt. In zahlreichen Ländern schossen vergleichbare Veranstaltungen wie Pilze aus dem Boden: Bildhauer unterschiedlicher Ausrichtung und Herkunft kamen für eine bestimmte Zeit zusammen um zu arbeiten und sich auszutauschen.

Mehr und mehr wurde aus dem Austausch einer eingeschworen Gemeinschaft von Fachleuten oder Künstlern bestimmter Sparten eine Kultur des Dialogs mit den Bürgern der entsprechenden Gemeinden und Regionen. Kunst in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken, sie nicht nur für den Kunstinteressierten, sondern auch für den Laien sichtbar und zugänglich machen, wurde zum Ziel der Aktion. Parallel dazu trat die Kunst den Dialog mit der Landschaft an. War es zuerst der Steinbruch, so haben sich in der Folgezeit viele Skulpturenpfade und Parkanlagen an Gewässern etabliert. Bequeme Fußwege sollten möglichst viele Leute an die Kunstwerke heranführen. Gleichzeitig war es ein zentrales Anliegen, inhaltliche Bezüge zu schaffen.

 In dieser Tradition steht nun auch das Künstlersymposium „Kunst am Bach“ in Betzigau, das anlässlich des Schwabentags mit 15 Künstlerinnen und Künstler aus ganz Schwaben veranstaltet wird. Es ging dabei nicht nur darum, dass die Kunstschaffenden vor Ort in einem Atelier arbeiteten, auch nicht darum, eine Skulptur am Weg entlang des Baches zu platzieren. Vielmehr war das Reagieren auf die Landschaft die Herausforderung. Das künstlerische Arbeiten in der Natur, nach der Natur, mit der Natur sollte im Mittelpunkt stehen. Vertreten sind Kunstschaffende aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei, Objektkunst, Konzeptkunst, Land-Art und Fotografie. Sie alle sind zum Schwabentag mit ihren Arbeiten präsent. Doch während mit Gemälden und Skulpturen bleibende Werke geschaffen wurden, gibt es auch Objekte temporärem Charakter oder auf das Projekt bezogene Installationen. Dies sind durchaus typische Kennzeichen des Kunst- oder Künstlersymposiums, im Sinne eines offenen Dialoges. Umso erfreulicher, dass mit der vorliegenden Publikation die Ergebnisse des Künstlersymposiums „Kunst am Bach“ in Betzigau festgehalten worden sind.